12. September 2022
12:00

Management digitaler Transformation in der Sozialwirtschaft

Erfahrungen, Herausforderungen und Best Practices

Kaum ein Sozial- und Gesundheitsunternehmen kann es sich heute noch leisten, digitale Transformationsprozesse in der eigenen Organisation zu negieren. Egal ob es sich um eine neue Kita-App, das papierlose Büro, künstliche Intelligenz im Rahmen von Führungsentscheidungen und im Controlling oder gar um assistive Systeme und Robotik in der Pflege handelt, stets steht die Frage im Raum, wie deren Einführung initiiert, bewältigt und zu einer erfolgreichen Umsetzung geführt werden kann. Auch wissenschaftliche Konferenzen oder Fachtagungen kommen nicht mehr ohne dieses Thema aus. Während allerdings eine theoretische und empirische Einordnung und Auseinandersetzung mit der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit vorangeschritten ist (vgl. z.B. Kutscher et al., 2020), muss der Wissensaustausch und eine allgemeine Auseinandersetzung mit diesem Thema im Bereich des Sozialmanagements weiter verstärkt werden. Sich über entsprechende Konzepte, Projekte und Best Practices auszutauschen, war auch Anliegen des zweiten virtuellen Fachaustauschs, welcher am 12. September 2022, 09.30-13.00 Uhr, stattgefunden hat und von der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement / Sozialwirtschaft e.V. (INAS) organisiert wurde. Ziel des Workshops war, Interessierte für dieses Thema und Expert:innen von verschiedenen Hochschulen in einen Dialog zu bringen.

Im Rahmen des Fachaustausch wurden sowohl theoretische Inputs gegeben als auch Erfahrungen aus aktuellen Praxisforschungsprojekten geteilt sowie damit verbundene Herausforderungen bei der Implementierung neuer Technologien erörtert und diskutiert. Im ersten Vortrag zum Thema “Digitalisierung in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft: Kommunikation – Dokumentation – Führung in (Sozial-)Unternehmen des 21. Jahrhunderts” stellte Prof. Dr. Alexander Thomas Carey Entwicklungen einer digitalisierenden (im Gegensatz zu einer digitalen) Ökonomie in der Sozialwirtschaft vor. Im Zentrum des Vortrags standen beispielhaft verschiedene Digitalisate mit unmittelbaren Bezug zu unterschiedlichen sozialen Diensten. Außerdem wurde im Vortrag herausgearbeitet, dass im Digitalisierungsprozess insbesondere das organisationale Wissensmanagement ein großes IT-Potential besitzt und unmittelbare Auswirkung auf sowohl Handlungs- als auch Organisationsebene besitzt.

Im zweiten Vortrag von Prof’in. Dr. Irmtraud Ehrenmüller (Fachhochschule Oberösterreich) zum Thema “Wirksame Digitalisierung und Robotik im Pflegekontext – Wege aus der Implementierungsfalle” wurde aus einem Praxisentwicklungs- und Forschungsprojekt Living Care Lab berichtet, wie aktuell versucht wird, eine nachhaltige Entlastung von Pflege- und Betreuungskräften durch Einführung digitaler Assistenzsystem bzw. Robotik in der Pflege zu bewirken. Berichtet wurde u.a. darüber, welche “pain points” (z.B. Faktor Zeit, Logistik, Organisation, Dokumentation) der Mitarbeitenden im jeweiligen Arbeitskontext berücksichtigt werden müssen, um nutzergerechte digitale Lösungen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang wurde hervorgehoben, dass neue Technologien keine Substitution der Kernaufgaben von Pflege und Betreuung darstellen, sondern neue Applikationen oder Systeme die Mitarbeitenden bei routinemäßigen Unterstützungsprozessen entlasten sollen. Dies sollte stärker auch bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen berücksichtigt werden.

Im Vortrag “Künstliche Intelligenz in der Unternehmensführung: Sinnvolles Element zum Führen und Managen in der Sozialen Arbeit?” berichtete Prof. Dr. Ulrich Gartzke (Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg – Schweinfurt), wie ausgewählte KI-basierte Technologien (z.B. Mustererkennung, Text-/Spracherkennung und -ausgabe, Datenanalyse, Entscheidungsunterstützung) auf Ebene der Steuerungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse auch in Sozialunternehmen herangezogen werden können. Voraussetzung für eine erfolgreiche Einführung digitaler Technologien und Ansätze stellen u.a. die Bereitschaft zum Einsatz (Mindset) und zur Finanzierung, der Aufbau von Infrastrukturen für Innovationen als auch ein Verständnis für deren Nutzung und Abschätzung von deren (Aus-)Wirkungen dar.

Letztgenannter Aspekt der Technikfolgenabschätzung wurde schließlich im abschließenden Vortrag von PD Dr. Athanasios Karafillidis und Prof. Dr. Stefan Jung (beide CVJM-Hochschule) zum Thema “Digitale Technik in der Sozialwirtschaft – Belastung oder Unterstützung? – Anregungen und Diskussionspunkte” weiter vertieft. Auf Grundlage der These, dass Digitalisate in der Sozialwirtschaft eher als technische Hilfsmittel mit dem Ziel der sozialen Unterstützung von Nutzer:innen und Fachkräften eingesetzt werden sollen, wurde zu einer aufgeklärten Technologiekritik aufgerufen. Es gilt bei der Einführung neuer Technologie stets zu prüfen, welche technischen Artefakte neben sozialen und organisatorischen Unterstützungsmöglichkeiten die Ko-Produktion zwischen zu unterstützenden Personen und Unterstützenden tatsächlich hilfreich sind, um Belastungen auf beiden Seiten zu minimieren.

Im Rahmen der Abschlussdiskussion wurden verschiedene Herausforderungen und Best Practises im Rahmen von Digitalisierungsvorhaben in der Sozialwirtschaft erörtert und dabei folgende Fragen hervorgehoben: u.a. wie können Transformationsprozesse an die Aufgaben in der Sozialen Arbeit und Pflege angepasst werden, so dass es zur Entlastung des Personals beiträgt, wie können Beteiligte verschiedener Ebenen und Bereiche im Rahmen der Veränderungen integriert werden, wie müssen zukünftige Studierende auf Tätigkeiten in der Sozialwirtschaft vorbereitet werden.

Der virtuelle Fachaustausch bot erneut ein wertvolles Format, um ein für die Sozialwirtschaft und das Sozialmanagement relevantes Thema vertiefend im Kreis von Interessierten und Expert:innen zu diskutieren. Dies kann dem positiven Feedback im Rahmen und im Anschluss an den Workshop entnommen werden. Der Austausch stellte in dieser Hinsicht eine Art Ideen-Werkstatt dar, die einen offenen und kritischen Dialog im kollegialen Rahmen ermöglichte. Das ist letztlich ein grundsätzliches Anliegen der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Sozialmanagement / Sozialwirtschaft e.V. (INAS).

 

Literatur:

Kutscher, N., Ley, T., Seelmeyer, U., Siller, F., Tillmann, A., & Zorn, I. (Eds.). (2020). Handbuch Soziale Arbeit und Digitalisierung. Beltz Juventa. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92004-7

Internationale
Arbeitsgemeinschaft
Sozialmanagement /
Sozialwirtschaft e.V.